Die RILINDJA der Diaspora


Njomza Dragusha, Basil Rogger



In Reflexion der reichen Geschichte der Printmedien des Kosovos, ist Potpuri bestrebt, die Printmedien im Kosovo wiederzubeleben. Im Laufe der Jahrzehnte hat der Kosovo die Geburt und das Sterben verschiedener Verlagsinitiativen erlebt, seien es große Zeitungen, Magazine, Druckereien, unabhängige Verlagsplattformen oder andere Initiativen. In den letzten zehn Jahren gab es im Kosovo jedoch keine gedruckte Zeitung, Zeitschrift oder ähnliche Plattform, die regelmäßig erschien.




Natürlich gibt es unabhängige Plattformen, die das Publizieren im Kosovo als Praxis beibehalten haben, aber leider ist heute fast die gesamte Informationspresse im Kosovo entweder über Online-Portale oder über TV-Kanäle tätig. Unsere Forschung in diesem Bereich ist noch jung, daher kennen wir den genauen Grund für diese Situation nicht, dennoch haben wir Überlegungen und Meinungen in diesem Bereich gesammelt. Die Hauptgründe für das Fehlen der gedruckten Presse im Kosovo scheinen die Dominanz des Online-Konsums, die Privatisierung der Medien und das Fehlen einer engagierten Leser:innenschaft zu sein, die bereit ist, für gedruckte Medien zu bezahlen. 

Trotz dieser Situation ist unsere Arbeit durch Potpuri darauf ausgerichtet, von der Vergangenheit und von den Menschen zu lernen, die sich kontinuierlich darum bemühen, das reiche Erbe der gedruckten Presse im Kosovo zumindest zu dokumentieren und zu archivieren.

Im Sommer 2022 haben wir Ervina Halili - eine unabhängige Autorin und engagierten Verteidigerin des Verlusts des kollektiven Erbes der Zeitung Rilindja - eingeladen, um mit uns über ihre Arbeit und ihre Erkenntnisse bezüglich der Geschichte der Zeitung Rilindja im Kosovo zu sprechen.


Die im Kosovo weithin bekannte Rilindja war eine der größten Zeitungen im Kosovo und erreichte aufgrund ihrer Nachfrage in der Ferienzeit eine Auflage von 234.000 Exemplaren. Die Zeitung Rilindja wurde im Februar 1945 in Prizren gegründet und war die erste gedruckte albanische Zeitung im Kosovo. Durch ihr stetiges Wachstum hat es Rilindja über Jahrzehnte hinweg geschafft, sich selbst in den konfliktreichsten Zeiten der Geschichte des Kosovos zu etablieren. Sie begann als Wochenzeitung mit vier Seiten pro Ausgabe, um dann in Prishtina im Verlag "Provincial of the Popular Front" als Tageszeitung mit Regelmäßigkeit und geringfügigen Änderungen weiter zu erscheinen. Ihr großer Zusammenbruch erfolgte am 8. August 1990, als sie vom serbischen Regime im Kosovo endgültig verboten wurde. Erst 1999, mit dem Ende des Kosovo-Krieges, kehrte Rilindja wieder auf den Markt zurück. Aber was war mit Rilindja zwischen den Jahren 1990 und 1999, wo war Rilindja?


Während dieses aufschlussreichen Gesprächs mit Ervina hören die meisten von uns zum ersten Mal, dass es eine tiefere Verbindung zwischen dem Kosovo und der Schweiz gibt, was die Geschichte der gedruckten Zeitungen betrifft. Ervina erzählt uns, dass Rilindja in den Jahren 1992 bis 1996 in der Schweiz gedruckt wurde.  Genauer gesagt wurde sie in diesen Jahren hauptsächlich in der Schweiz gedruckt, in der Druckerei in Zofingen. Suchend und wissbegierig, diese Zeit genauer zu erforschen, bekommen wir von Ervina den Tipp, uns mit Binak Kelmendi zu unterhalten. Er war damals Redaktor im «Westen», wie es genannt wurde. 

Während des Gesprächs schlägt Herr Kelmendi vor, dass wir die Kantonsbibliothek Aarau besuchen, um einen Blick auf die gedruckten Ausgaben zu werfen, welche alle in der Bibliothek archiviert und offen zugänglich sind. 

Wir machen uns auf den Weg nach Aarau, um die Rilindja der Jahre 1992-1996 aus der Nähe zu betrachten, anzufassen und etwas mehr in die Tiefe zu gehen.

Wir bringen die grosse Sammlung von Rilindja in einen Raum und tauchen ein. Als wir einen der Ordner öffnen, finden wir "RILINDJA" - E perditshme informative e pavarur (Die unabhängigen Tagesnews), die erste Ausgabe im Archiv ist "E Merkure, 28 shkurt 1993" (Mittwoch, 28. Februar 1993).

In schlichten blauen und weißen Farben gedruckt, verströmt die RILINDJA den typischen Geruch von Papier und Frische, als ob sie noch nie von jemandem angefasst oder gelesen worden wäre. Die Faltung war deutlich erkennbar, als sei sie aus der Druckerei direkt in die Bibliothek gekommen. Die Zeitung war qualitativ immer noch hochwertig und der Geruch des Papiers so konserviert, dass er eine hohe Dosis Nostalgie versprühte.


Bei jeder Ausgabe von "Rilindja" steht auf der ersten Seite ein kurzer Überblick, der nicht immer genau gleich geschrieben ist, sich aber im Allgemeinen auf die Geschichte des Printmediums "Rilindja" bezieht:

  • Die erste Ausgabe der Zeitung "RILINDJA" wurde am 12. Februar 1945 veröffentlicht.

  • Seit dem 8. August 1990 ist "RILINDJA" im Kosovo nicht mehr erschienen, weil sie durch einen willkürlichen Beschluss der Nationalversammlung der Republik Serbien mit Polizeigewalt am 7. August, dem Tag der 11’261. Ausgabe, verboten wurde.

  • Die ausländische Publikation der RILINDJA begann am 7. Mai 1992, für unsere Diaspora in der Welt, zu erscheinen.

  • In Tirana erscheint die Zeitung "RILINDJA" seit dem 18. April 1993.


Mit einem Umfang von 12 bis 20 Seiten pro Tagesausgabe wurde die Zeitung "RILINDJA" in den Jahren 1992 bis 1996 täglich sechsmal pro Woche gedruckt, außer sonntags. In dieser Zeit erreichte die Zeitung RILINDJA eine Auflage von 13.000 Exemplaren täglich, die vor allem in der albanischsprachigen Diaspora in Europa, in Ländern wie der Schweiz, Deutschland, Österreich und später auch in den USA und Belgien verteilt wurden.

Wie wir anhand des Inhalts und des Gesprächs mit Herrn Kelmendi verstanden haben, war Rilindja ein Instrument und Medium für Informationen aus erster Hand für die albanische Diaspora im Westen, ebenfalls wurde es zu einem Instrument der Mobilisierung für ausländische Unterstützung und Anerkennung der Situation im Kosovo vor Ort. Die Zeitung Rilindja wurde hauptsächlich durch die kontinuierliche Unterstützung ihrer Stammabonnenten:innen verkauft, aber auch auf Sonderwünsche in der ganzen Welt verbreitet.

Die inhaltliche Struktur der Zeitung war fast immer dieselbe mit einer klaren Gliederung (z. B. Echo, Tagesgeschehen, Aktuelles aus der ausländischen Presse, Berichte, Kultur, Fejtoni, Sport, Telex), dennoch gab es von Ausgabe zu Ausgabe einfache Spielereien und Besonderheiten, wie z. B. die Hinzufügung von Kinderseiten. Rilindja konzentrierte sich auf den Text und weniger auf das Visuelle und behielt eine Verständlichkeit bei, die es den Lesenden ermöglichte, leicht in den Inhalt einzutauchen.


Wenn man die Nachrichten liest, ist es unmöglich, die Wichtigkeit und den Einfluss einer solchen Zeitung für den Kosovo jener Zeit, abzuerkennen. Oft war Rilindja die einzige unabhängige Plattform, die für die Welt oder besser gesagt für die "westliche Welt" in dieser Zeit über den Kosovo berichtete. Die enorme Unterstützung der Diaspora bei der Finanzierung einer solchen Initiative ermöglichte es, dass die Öffentlichkeit über die Geschehnisse im Kosovo mit den Augen derjenigen informiert wurde, die sie selbst erlebten.  Darüber hinaus wurde über verschiedene internationale Bewegungen berichtet, die seit Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich auf die politische, soziale und wirtschaftliche Situation der Bewohner:innen des Kosovo aufmerksam machten.


Rilindja spielte eine wichtige Rolle beim Einstehen für Freiheit und Unabhängigkeit für eine Gruppe von Menschen, die so stark unterdrückt worden war, dass eine freie Meinungsäusserung, geschweige denn ein öffentliches Auftreten kaum mehr möglich war. Ebenso hat Rilindja im Exil - wie ich es manchmal gerne nenne - durch die tägliche Präsenz auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Diaspora reagieren können. Sei es, um mit Familienangehörigen im Kosovo in Kontakt zu treten, um Mobilisierungen im Kosovo zu unterstützen, um zu erfahren, wie man in den Kosovo reisen kann oder wie man durch verschiedene Veranstaltungen mit ihrer Kultur in Kontakt treten kann.


Nicht zu vergessen ist, dass die Situation im Kosovo nach wie vor mit Widerstand vor Ort konfrontiert war. Nach der Schließung der Zeitung Rilindja im Kosovo am 18. Januar 1991 wurde die Wochenzeitung "BUJKU" (der Bauer) herausgegeben, die über die neuesten "landwirtschaftlichen Entwicklungen" im Kosovo informierte. Das Team hinter BUJKU bestand aus mehreren Journalist:innen, die früher die unabhängige RILINDJA herausgegeben hatten. Die Tageszeitung RILINDJA, die stets ein Beispiel für Widerstand und Engagement war, kam einen Tag nach der Intervention der NATO-Truppen im Kosovo wieder auf den Markt. Die historische Zeitung kam mit der "Befreiung" zurück. RILINDJA existierte im Kosovo regelmäßig bis zum 21. Februar 2002, da sie von der UN-Mission im Kosovo (UNMIK) aus ihrem Verlagshaus vertrieben wurde, was den Beginn der Privatisierung von öffentlichem und gesellschaftlichem Eigentum im Kosovo markierte.


Auch wenn RILINDJA in all diesen Jahren im Kosovo symbolisch in Erscheinung getreten ist, so können wir zwanzig Jahre später doch feststellen, dass solche imperialistischen Privatisierungspraktiken zur vorherrschenden Mentalität in der kosovarischen Gesellschaft geworden sind. Da die Aktionen und die Arbeit von RILINDJA über die physische Zeitung hinausgehen und RILINDJA für uns eine Geschichte des Widerstands ist, nimmt das Team von POTPURI auch hier die Inspiration und den Mut, diesen Widerstand fortzusetzen und zu versuchen, die gedruckte Presse sowohl in der Diaspora, als auch im Kosovo wieder einzuführen.

Dieser Artikel ist allen RILINDJA-Mitgliedern gewidmet, die uns die Liebe zur Zeitung geschenkt haben. Gleichermaßen ist dieser Artikel allen Mitgliedern des RILINDJA-Teams der Diaspora gewidmet, die uns durch ihren Widerstand eine andere Seite der Geschichte gezeigt haben.



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